„Der Reigen“, die Oper des österreichischen Komponisten Bernhard Lang, wird erstmals in Österreich ­aufgeführt. Aber nicht nur das, auch die Musicbanda Franui widmet sich den Sexszenen, die einst einen ­Theaterskandal verursachten und auch in der Bühnengeschichte Vorarlbergs eine besondere Rolle spielen. 

Lange hat es gedauert, aber in den 1980er-Jahren war es dann so weit. Auch in Vorarlberg hob sich der Vorhang zur Aufführung von Arthur Schnitzlers Drama „Reigen“. Nach Verfilmungen und der Tatsache, dass das Werk längst auf der Literaturliste in den Maturajahrgängen auf­scheinen durfte, störte sich wohl kein Mensch mehr daran, dass die zehn auf­gezeichneten Dia­loge zwischen Mann und Frau jeweils vor bzw. nach der sexuellen Vereinigung stattfinden. Die Vorgeschichte ist bekannt, obwohl es ihm mehr darum ging, die Verlogenheit der Menschen darzustellen als deren Triebverhalten, belegte Arthur Schnitzler nach zahlreichen ­Störaktionen bei den ersten Aufführungen nach der Premiere im Jahr 1920 in Berlin das Stück mit einem Bühnenverbot.

Bruno Felix, Impresario des ­Theaters für Vorarlberg, präsentierte es im Jahrhundert­wende-Kolorit im Theater am Kornmarkt. Unter seinem Nachfolger Harald Petermichl gab es dann einmal eine „Reigen“-Adaption und ­Intendant Alexander Kubelka schickte sein Publikum mit den zehn Szenen vor ein paar Jahren nicht nur in die Sommerpause, sondern auch durch die Bregenzer Villa Raczynski. Die Räumlichkeiten mit den vielen ­Rokokoverzierungen eigneten sich bestens als Podium für die Begegnungen zwischen der von Schnitzler geprägten Figur eines süßen Mädels, zwischen einem jungen Herrn, einer verheirateten Frau, einem Dichter, einer Schauspielerin, einem Soldaten und wer sich sonst noch alles einreiht in diesen Reigen. ­Erinnern darf man sich bei dieser Gelegenheit aber auch daran, dass das Raczynski-Anwesen eine Klosterschule beherbergt.

Uraufgeführt in einem Theaterkleinod. In einem historischen Rahmen fand auch die ­Uraufführung des Musiktheaters „Der Reigen“ des österreichischen Komponisten Bernhard Lang (geb. 1957) statt. Aber das Schlosstheater Schwetzingen, ein Kleinod in der europäischen Theaterlandschaft, ist mittlerweile als Stätte für neue Musik bekannt. Georg Friedrich Haas, der in Vorarlberg aufgewachsene, nun mit höchsten Preisen bedachte Komponist, hatte dort große Erfolge zu feiern, nachdem die Bregenzer Festspiele seine erste Oper „Nacht“ produzierten, was ihm internationales Renommee einbrachte. Die Uraufführung von Bernhard Langs „Reigen“ liegt rund fünf Jahre zurück. Der Österreicher Michael Sturminger (geb. 1963) schuf das Libretto. Man kennt ihn auch als Filmemacher und in Bregenz als Librettisten und Regisseur von HK Grubers Oper „Geschichten aus dem Wienerwald“, die im selben Jahr uraufgeführt wurde.

Erstaunlicherweise war „Der Reigen“ von Bernhard Lang bisher nie in Österreich zu erleben. Die Bregenzer Festspiele präsentieren das Werk in Kooperation mit der Neuen Oper Wien, wo es ab November gespielt wird, unter der musikalischen Leitung von Walter Kobéra. Inszenieren wird Alexandra Liedtke.

Verführung und Postludium. Die Behauptung, dass Schnitzlers „Reigen“, der in einer Gesellschaft mit Dienerschaft, Herren und wenig selbstbewussten Frauen spielt, nicht mehr aktuell sei, hält Bernhard Lang für hinterfragbar. Schnitzler sei es vor allem darum gegangen, aufzuzeigen, dass hier beinahe jede Person ihr Gegenüber anlügt. Die szenenimmanente „Wiederholungsstruktur von Verführung, Sex und Postludium“ mache das Stück höchst affin für die „auf differenten Loops basierende Kompositionstextur“, erklärte er in einem Vortrag zur Uraufführung. „Wie die Zahnräder des industriellen Zeitalters zu Schnitzlers Zeit, wie die Schaltkreise in der Hardware der ­virtuellen Verbindungen im
21. Jahrhundert atmen diese zehn Liebesakte den Geist der Mechanik. Mit einer Musik, die in der Wiederholung die feinen ­Differenzen offenlegt, hat uns der Komponist beschenkt“, schrieb Regisseur Georges ­Delnon im Programmheft zur Uraufführung.

Das amadeus ensemble-wien wird das Werk am 30. und 31. Juli in Bregenz interpretieren. Damit ist das diesjährige „Reigen“-Projekt aber noch nicht zu Ende. Die Festspiele haben die Musicbanda Franui eingeladen, die sich am 15. August Schnitzlers Drama auf ihre Art widmet. Motive aus Werken von Schubert, Liszt, Strauß, Verdi, Mahler, Webern oder Satie haben Markus Kraler und Andreas Schett für ihre Version verwendet, die zwei bekannte Persönlichkeiten des deutschen Theaters, nämlich Sven-Eric Bechtolf und Regina Fritsch mit den ­Musikern umsetzen. CHRISTA DIETRICH

 

Bild. Julia Stix