Uraufführungen brisanter Musiktheaterproduktionen von Ted Huffman und Philip Venables sowie Fabián Panisello ergänzen die Neuinszenierung von Verdis Oper „Ernani“.

Dass sich Intendantin Elisabeth Sobotka für Giuseppe Verdis Oper „Ernani“ als Produktion im Festspielhaus entschieden hat, ergibt heuer sowie rückblickend einen interessanten Programmschwerpunkt. Während Alfred Wopmann (Intendant von 1983 bis 2003) mit Mozarts „Zauberflöte“, inszeniert von Jérôme Savary im Jahr 1985, der ersten von ihm gewählten Produktion auf dem See, den Festspielen nicht nur einen enormen Qualitätsschub verlieh, sondern auch die Internationalisierung vorantrieb, konnte er seine entscheidenden Ideen für die Produktion im Festspielhaus erst mit „Samson und Dalila“ von Camille Saint-Saëns im Sommer 1988 verwirklichen. Inszeniert hatte Steven Pimlott. Mit „Ernani“ in der Regie von Brian Michaels hatte Wopmann im Jahr zuvor noch nicht jene Qualität und jenen innovativen Charakter im Programm, den er anstrebte.

Vor allem mit dem Engagement von britischen Regisseuren wie Tim Albery (mit Catalanis „La Wally“), Richard Jones (mit Tschaikowskis „Mazeppa“), Jonathan Miller (mit Giordanos „Fedora“) und schließlich David Pountney (der im Haus wie auf dem See inszenierte und schließlich von 2004 bis 2014 Intendant war) oder auch mit dem Deutschen Harry Kupfer (mit Rimskij-Korsakows „Legende von der unsichtbaren Stadt Kitesch“) gelangen die wegweisenden Produktionen. Ein dramaturgisches Gesamtkonzept der Festspiele wurde deutlich.

Uraufführungen
Dass es Wopmann mit der Uraufführung der Oper „Nacht“ von Georg Friedrich Haas noch schaffte, das Programm mit zeitgenössischem Musikschaffen zu erweitern, ist angesichts der damaligen Umstände als besonderer Erfolg zu bezeichnen. David Pountney hatte schon bei seinem Antritt mit der Werkstattbühne nicht nur ein weiteres Podium, sondern bald auch ein ausgebautes Festspielhaus zur Verfügung, in dem er auch eine Serie von Uraufführungen (darunter „Geschichten aus dem Wiener Wald“ von HK Gruber) sowie die szenische Erstaufführung sowie Wiederentdeckung der Oper „Die Passagierin“ von Weinberg realisierte, die von mehreren Häusern in Europa und den USA übernommen wurde.

Elisabeth Sobotka (seit 2015 Intendantin in Bregenz) integrierte das zeitgenössische Musikschaffen von Anfang an ins Programm und installierte zudem ein Opernatelier, für das Auftragswerke vergeben werden. Nach Zesses Seglias („To the Lighthouse“) und Alexander Moosbrugger („Wind“) arbeitet Ena Brennan nun an einem weiteren Werk, für das David Pountney als Librettist und Regisseur nach Bregenz zurückkommt. Im Jänner dieses Jahres wurde ein Einblick in den Entstehungsprozess geboten, die Uraufführung ist für den kommenden Sommer geplant.

Intendantinnen: Elisabeth Sobotka (Leiterin der Bregenzer Festspiele) mit Lotte de Beer
(Leiterin der Wiener Volksoper), die heuer in Bregenz „Ernani“ inszeniert.

Erbärmliche Männerehre
Nach der Uraufführung der Multimediaproduktion „Melencolia“ von Brigitta Muntendorf, einer Komponistin mit Wurzeln in Vorarlberg, ist auch heuer ein absolut neues Werk zu erwarten. Sobotka stellt „The Faggots & Their Friends Between Revolutions“ von Philip Venables und Ted Huffman in Verbindung zu „Ernani“. Verdis Oper vertraut sie Lotte de Beer an, die in Bregenz bereits „Moses in Ägypten“ von Rossini inszenierte. Die auf einem Drama von Victor Hugo basierende Handlung legt die katastrophalen Folgen erbärmlicher Männerehre offen. „Wir sehen Menschen, die über Ehre und Liebe sprechen, was sie aber erzeugen, ist Tod und Schmerz. Genau das möchte ich fokussieren. Es gibt in fast jeder Szene eine Figur, die sich auch für die Liebe oder für das Vergeben entscheiden kann, aber immer entscheidet man sich für Mord, Selbstmord, Tod, Gewalt oder Rache“, sagt Lotte de Beer. Venables und Huffmans Musikdrama geht auf einen Roman von Larry Mitchell aus den späten 1970er-Jahren zurück, der aufzeigt, was Diversität heißt und wie weit unsere Gesellschaft davon entfernt ist. Angekündigt wird eine „ultimativ anarchische Gute-Nacht-Geschichte“. Das Werk befasst sich explizit mit der sexuellen Befreiung und nimmt Bezug auf die Diskriminierung von nicht heterosexuell orientierten Menschen. Kurz nach der Uraufführung Ende Juni in Manchester erfolgt bei den Festspielen die erste Darbietung der Produktion im deutschsprachigen Raum.

Szene aus der Uraufführung von „Melencolia“ von Brigitta Muntendorf im Vorjahr.
Heuer wird „Die Judith von Shimoda“ in Bregenz uraufgeführt.

Komplexe Geschichte
„Die Judith von Shimoda“, eine weitere Uraufführung mit der Musik von Fabián Panisello, die die Festspiele in Kooperation mit der Neuen Oper Wien (wo das Werk ab November gezeigt wird) in Auftrag gaben, erweist sich als ungemein komplexe Geschichte. Das Original, auf das sich Bertolt Brecht und Hella Wuolijoki in ihrer erst im Jahr 2006 veröffentlichten, wiederentdeckten Fassung beziehen, stammt von Yamamoto Yuzo und steht inhaltlich auch in Verbindung zum Stoff von „Madame Butterfly“. Mitte des 19. Jahrhunderts beendet eine kluge Geisha den bedrohlich eskalierenden Konflikt zwischen einem amerikanischen Konsul und den japanischen Behörden. Anstatt eines Dankes erwartet sie daraufhin die Ächtung durch das eigene Volk. Regie führt Philipp M. Krenn, der dem österreichischen Publikum unter anderem von der Erstaufführung von Manfred Trojahns Oper „Orest“ bekannt ist.

Übrigens: Jana Vetten führt heuer im Opernstudio Regie, wo „Werther“ von Massenet mit jungen Sängerinnen und Sängern auf dem Programm steht. Sie hatte in Bregenz die Uraufführung von „Lohn der Nacht“ von Bernhard Studlar inszeniert. (Christa Dietrich)