Was in den Konzerten aufgeführt wird und wer dirigiert, ergibt ein interessantes Bild über die ersten Festspiele unter Intendantin Lilli Paasikivi.

Die Wiener Symphoniker waren von Anfang an dabei. 1946, im Gründungsjahr der Bregenzer Festspiele, mit einem Konzert, aber schon im Sommer darauf auch als Orchester der Seebühnenproduktion. Die Bühne auf dem See befand sich damals noch an etwas anderer Stelle als heute, wurde mehrmals aus-, um- und neugebaut und ist seit der Zeit des Intendanten David Pountney, der die Festspiele von 2004 bis 2014 leitete, sozusagen auch nicht mehr Sitz des Orchesters. Die Technik bzw. ein Akustiksystem, das über die Jahre weiterentwickelt wurde und das den Festspielen auch einige Preise einbrachte, macht es möglich, dass die Musikerinnen und Musiker im Festspielhaus sitzen, während die Bühne auch einmal nur aus zwei aus dem Wasser ragenden Händen mit Spielkarten besteht wie bei Carmen vor einigen Jahren oder einer teilweise überfluteten Winterlandschaft gleichen kann, wie das nun bei der Oper Der Freischütz von Carl Maria von Weber der Fall ist. Geleitet werden die Wiener Symphoniker dabei vom schwedischen Dirigenten Patrik Ringborg und vom Deutschen Christoph Altstaedt.

Ringborg war an zahlreichen Opernhäusern tätig, unter anderem Generalmusikdirektor am Staatstheater in Kassel und konnte mit Wagners Parsifal in der Inszenierung von Christof Loy in Stockholm reüssieren. Altstaedt ist Opernfreunden in der Region auch von Produktionen in Innsbruck und an der Volksoper in Wien bekannt, er hat zahlreiche renommierte Orchester und auch Jugendorchester geleitet. Die Seebühne ist für das Orchester immer eine Herausforderung, sie bedingt im Fall von Der Freischütz aber auch einige Eingriffe in die Partitur.

Unter der Leitung von Leo McFall führt das Symphonieorchester Vorarlberg die 4. Symphonie von Gustav Mahler und Lieder von Alma Mahler auf.

Dirigentinnen und Komponistinnen
Mit dem Engagement von Dirigentinnen dokumentieren auch die Bregenzer Festspiele die erfreuliche Tatsache, dass immer mehr Frauen diesen Beruf ergreifen. Yi-Chen Lin hatte beispielsweise Puccinis Madama Butterfly auf dem See dirigiert, Claire Levacher leitete die Opern Werther, Der Ehevertrag und Gianni Schicchi am Kornmarkt, Karen Ní Bhroin die Uraufführung von Hold Your Breath und Marie Jacquot dirigierte ein Konzert der Wiener Symphoniker. In diesem Jahr beginnt der Konzertzyklus der Symphoniker mit der aus Hongkong stammenden Dirigentin Elim Chan. Sie leitete zahlreiche renommierte Orchester, ist Chefdirigentin des Antwerp Symphony Orchestra und bietet bei ihrem Debüt in Bregenz nicht nur bekannte Werke von Debussy und Ravel, sondern auch von einer Komponistin dieser Zeit, nämlich von Mélanie Bonis (1858 – 1937). In eine Ehe gedrängt, die die musikalische Karriere der Französin behinderte, sofern sie einer Frau damals überhaupt gewährt worden wäre, gerieten die zahlreichen Kompositionen, die sie dann unter dem Namen Mel Bonis veröffentlichte, lange Zeit mehr oder weniger in Vergessenheit. In den letzten Jahrzehnten interessierte sich die Musikwissenschaft für das umfangreiche Werk und auch für das Leben der Künstlerin unter dem enormen Druck gesellschaftlicher Erwartungen. Ihr Symphoniezyklus Femmes de légende versteht sich als Auseinandersetzung mit dem was Ophelia, Salome und Kleopatra widerfahren ist.

Auch das Symphonieorchester Vorarlberg, das schon fast traditionell das Programm der Bregenzer Festspiele beschließt, hat Werke einer Komponistin im Programm. Leo McFall dirigiert neben der Fantasie über Motive aus Hänsel und Gretel von Oskar Fried und der 4. Symphonie von Gustav Mahler ausgewählte Lieder von Alma Mahler, interpretiert von Dorottya Láng. Es handelt sich bei diesen später und zum Teil eigens für dieses Konzert orchestrierten Werken von Alma Mahler um Arbeiten einer Künstlerin, in deren Biografie es viel Widersprüchliches gibt, die aber auch damit konfrontiert war, dass sie ihren Mann Gustav Mahler mit ihrer Begabung derart irritierte, dass er ihr das Komponieren eine Zeit lang schlicht und einfach verboten hatte.

Intendantin Lilli Paasikivi hat selbst die Meisterklasse geleitet, die junge Sängerinnen und Sänger vor der Produktion der Oper „La Cenerentola“ absolvieren.

Blick nach Finnland
Dass Lilli Paasikivi finnische Künstlerinnen und Künstler nach Bregenz holt, war zu erwarten und wurde im beeindruckenden Ausmaß erfüllt. Jukka-Pekka Saraste dirigiert die Aufführung der sinfonischen Dichtung Kullervo von Jean Sibelius, die neben den Wiener Symphonikern auch einen großen Chor verlangt, für den der YL Male Voice Choir aus Finnland, der Prager Philharmonische Chor und der Bregenzer Festspielchor engagiert wurden. Die Sopranpartie übernimmt Marjukka Tepponen, die bereits als Liù in Turandot auf der Seebühne begeisterte. Für die Baritonpartie hat der dänische Opernsänger Johan Reuter eigens finnisch gelernt. Und selbstverständlich offeriert der YL Male Voice Choir auch eigens ein A-capella-Programm mit zahlreichen Kompositionen aus dem Norden.

Dem finnischen Maestro Hannu Lintu, Chefdirigent an der Nationaloper in Helsinki, war im letzten Jahr an der Staatsoper in München bei Pelléas und Melisande zu begegnen, er dirigiert in Bregenz die Opernprodukion Œdipe von George Enescu. Kaapo Ijas stammt ebenfalls aus Finnland. Er leitet die Aufführungen von Rossinis La Cenerentola im Kornmarkttheater. Bei einem Einblick in ihre Meisterklasse zur Vorbereitung auf die Produktion hat Lilli Paasikivi ihr Gespür für junge Sängerinnen und Sänger bereits eindrucksvoll bekundet.

Text von Christa Dietrich

Bregenzer Festspiele 2025

Die 79. Bregenzer Festspiele werden am 16. Juli eröffnet.
Am Abend findet die Premiere der Oper „Œdipe“ statt.
Auf der Seebühne erfolgt am 17. Juli die Premiere der Wiederaufnahme der Oper „Der Freischütz“.
Bis zum 17. August enthält das Programm noch weitere Musiktheaterproduktionen, eine Schau­spieluraufführung, neue Tanzproduktionen und zahlreiche Konzerte.
www.bregenzerfestspiele.com

Fotos: SOV/Mathis Fotografie, Bregenzer Festspiele/Anja Koehler, Simon Pauly