Im Sommer vor 75 Jahren sollte die Vorarlberger Landeshauptstadt besonders hübsch aussehen. Der Bürgermeister startete einen Aufruf an die Bevölkerung, doch bitte „die Gehsteige zu säubern einschließlich der Straßenrinne und die Häuser zu beflaggen“.

Die erste Bregenzer Festwoche lockte im Jahr nach Kriegsende mehr als 25.000 Menschen an den Bodensee. Doch fast wäre alles anders gekommen. Als 1946 in der einheimischen Bevölkerung die Initiative für eine Festwoche entstand, war man auf die Unterstützung der französischen Besatzungsbehörde angewiesen. Auch am gegenüberliegenden Bodenseeufer in Lindau kursierte damals der Gedanke, eine Kulturveranstaltung zu etablieren. Die beiden konkurrierenden Städte standen unter mili­tärischen Kontrolle Frankreichs. Wer also sollte den Zuschlag erhalten? Aus Bregenzer Perspektive traf der Militärkommandant die richtige Entscheidung. Der Rest ist Geschichte. Die Bregenzer Festspiele waren geboren.

Bereits in den Anfangsjahren zog das Spiel auf dem See das Publikum in seinen Bann, obwohl Orchesterkonzerte und Schauspiel den größeren Programmanteil einnahmen. Es folgten zwei Jahrzehnte des Aufschwungs. Auf der Seebühne am Ort des heutigen Bregenzer Strandbades schwelgten die Besucher im Operettenglück. Mit dem Wiener Burgtheater und anderen Bühnen gelang eine kontinuierliche Zusammenarbeit, die erstklassiges Theater nach Bregenz brachte. Auch festigten hochwertige Orchesterkonzerte – wenngleich in einer Sporthalle dargeboten – den zunehmend internationalen Ruf der Bregenzer Festspiele. Daran haben auch die Wiener Symphoniker wesentlichen Anteil. Das Orchester reist seit 1946 jeden Sommer an den Bodensee. Mehrere Fernsehfilme erkoren in den 1950er-Jahren das Festival zum Handlungsort – ein Ritterschlag in der damaligen Zeit.

Anfang der 1980er-Jahre kam es zum Bruch mit dem bisherigen künstlerischen Konzept. Das Festival erfand sich neu. Die Seebühne wurde zum Ort außergewöhn­licher Opern-inszenierungen. Das Spiel auf dem See avancierte zum internationalen Markenzeichen. Neue Programmreihen mit innovativem Anspruch formten das Festival zu einem weltweit einzigartigen Gesamtkunstwerk. Neben dem Spiel unter freiem Himmel und der klassischen Opernbühne im Festspielhaus ermöglichte die Werkstattbühne experimentelles Musiktheater. Zahlreiche Uraufführungen zogen von Bregenz hinaus in die Welt.

Seit jenen Gründertagen im Sommer 1946 strömten mehr als neun Millionen Besucherinnen und Besucher zu den Bregenzer Festspielen. Neun Millionen Mal Begeisterung für Oper, Konzert und Schauspiel. Neun Millionen Gäste, die außergewöhn­liche Kunst auf höchstem Niveau genießen konnten.

75 Jahre bedeuten Veränderung, Neues, Anderes. Doch etwas Wesentliches ist über die Jahrzehnte hinweg bestehen und immerwährend spürbar geblieben: die Leidenschaft, die Begeisterung und der Geist der Bregenzer Festspiele. Die größte Seebühne der Welt ist Hauptanziehungspunkt des Sommerfestivals, zu dem alljährlich im Juli und August über 200.000 Besucher strömen. Wenn die Sonne langsam im Bodensee versinkt und die Lichter rund um das Ufer erglühen, beginnen für rund 7000 Besucher spektakuläre Operninszenierungen in außergewöhnlichen Bühnenbildern.

Die diesjährige Bregenzer Festspielsaison lockt mit einem vielfältigen Programm, das Neues neben Bewährtem in einem breitgefächerten Bogen präsentiert. Start ist am 21. Juli 2021, die letzte Vorstellung geht am 22. August über die Bühne.

www.bregenzerfestspiele.com

Fotos: Stadtarchiv Bregenz/Ralph Larmann, Bregenzer Festspiele, Karl Forster