William Shakespeare, Per Olov Enquist sowie klassische Sujets wie die Melancholie ergänzen die großen Festspielproduktionen zu einem enorm vielfältigen Programm.

Die Kooperation der Bregenzer Festspiele mit dem Deutschen Theater Berlin, die schon in den 1990er-Jahren mit „Nathan der Weise“, dem großen Drama von Gotthold Ephraim Lessing, begonnen hatte, erweist sich seit der Wiederaufnahme der Verbindung vor drei Jahren als Besonderheit. Übernahm man früher Produktionen bzw. fixierte man den Premierentermin einer Neuinszenierung in Bregenz, so sind die Stücke neuerdings fast mit Uraufführungen gleichzusetzen. Nach Bühnenadaptierungen von Prosatexten erfolgt heuer eine neue Übersetzung von Shakespeares „Der Sturm“.

Altenglisches Original
Jakob Nolte will sich „Wort für Wort durch das altenglische Original hangeln“, heißt es aus Berlin. Die dabei entstehende Fantasiesprache entspräche dem Setting. „Der Sturm“ („The Tempest“) führt bekanntermaßen nicht nur auf jene Insel, auf der der aus der Heimat vertriebene, einstige Herzog Prospero herrscht, Shakespeare bezieht sich in diesem 1611 uraufgeführten Werk auch auf den damals vorherrschenden Geisterglauben. Einen Unhold wie Caliban oder den Luftgeist Ariel auftreten zu lassen, war für das Publikum nichts Ungewöhnliches und dass die Hauptfigur in der Lage war, im Zuge ihrer Rehabilitierung Stürme zu entfachen, hat das Interesse der Erwachsenen nicht gemindert. Rache und Versöhnung, Macht, Ausbeutung, Unterdrückung, Natur und Zivilisation – und nicht zuletzt auch die Kraft der Liebe zwischen zwei Menschen – ließen sich über die Jahrhunderte aus verschiedenen Perspektiven thematisieren.

Regie führt Jan Bosse, der schon „Don Quijote“, die Produktion im Sommer 2019, inszenierte und mit Wolfgang Koch ist der damalige Sancho Pansa mit von der Partie. Wer Jakob Noltes intelligente, mit vielschichtigem Witz durchzogene Bearbeitung des Romans von Miguel de Cervantes gesehen hat, darf sich auf einiges gefasst machen, „Don Quijote“ gab seine Botschaft nämlich nicht so einfach preis. Die Regie ließ kein humanes Handeln in den Kämpfen von Don Quijote und Sancho Pansa erkennen, es war vielmehr die Fantasie und das daraus abgeleitete Spiel, das dazu anregte, darüber nachzudenken, was denn nun ein humanes Handeln wäre.

Jakob Nolte übersetzt heuer Shakespeares „Der Sturm“ neu, er hat bereits „Don Quijote“ für die Bühne adaptiert.

Im Grunde genommen lässt sich auch vom letztjährigen Beitrag des Deutschen Theaters, der Adaptierung der Novelle „Michael Kohlhaas“ von Heinrich von Kleist, ein Bogen spannen. Der Pferdehändler, dem großes Unrecht widerfahren ist, greift zur Selbstjustiz und gerät dabei in einen Strudel der Gewalt. Bei der Frage nach dem Ausweg, den es für Kohlhaas gegeben hätte, befasste sich Regisseur Andreas Kriegenburg nicht nur mit der Beschaffenheit des Rechtssystems oder dem Moralkonsens einer Gesellschaft, sondern auch mit den Mechanismen eines Geschlechtersystems, das Kohlhaas zu dem machte, was er ist. Daher wurde die Crux im patriarchalen System ausgemacht und aufgezeigt, inwieweit Herrschaftstypologien zwar als überholt betrachtet werden, aber immer noch präsent sind. Das sind wiederum gute Voraussetzungen für ein spannendes Shakespeare-Drama.

Das Wiener Burgtheater soll als weiterer Schauspielpartner Erwähnung finden, auch wenn es heuer schon präsent war. Die Aufführung zu Ostern weist auf eine terminliche Ausweitung der Festspielsaison. Egal, ob pragmatische Überlegungen dahintersteckten, es gab mit „Geschlossene Gesellschaft“ von Jean Paul Sartre, inszeniert von Burgthe­ater­direktor Martin Kusej, wiederum einen Frühjahrstermin. Heuer war er der Tatsache geschuldet, dass die Wiener Bühne mit „Ingolstadt“ von Marieluise Fleißer bei den Salzburger Festspielen präsent ist und im Sommer nicht zwei auswärtige Produktionen stemmen kann, im Vorjahr war die Premiere von Shakespeares „Richard II.“ in Bregenz pandemiebedingt abgesagt worden. Während in Wien im Mai noch alle Häuser geschlossen sein mussten, durfte in Vorarlberg vor jeweils hundert negativ getesteten Zuschauern gespielt werden. Das nützte man bestens aus.

Uraufführung
Während das Schauspiel in diesem Sommer nur mit einer Produktion Berücksichtigung findet, sind die Musiktheaterproduktionen zahlreich und vielfältig. Neben „Madame Butterfly“ von Puccini auf dem See und „Siberia“ von Giordano im Festspielhaus gibt es mit „Armida“ und „Die Italienierin von Algier“ zwei Opern im Kornmarktheater, eine ­Uraufführung sowie eine österreichische Erstaufführung in der Werkstattbühne. Die deutsche Komponistin Brigitta Muntendorf erhielt den Auftrag, sich mit den Zuweisungen der Melancholie in der Kunst auseinanderzusetzen. „Melencolia“ wird von ihr selbst und Moritz Lobeck inszeniert. Der deutsche Komponist und Dirigent Johannes Kalitzke hat sich mit „Kapitän Nemos Bibliothek“, einem Roman von Per Olov Enquist, beschäftigt. Zwei nach der Geburt vertauschte Buben werden im Kindesalter wieder ihren biologischen Eltern übergeben, was sich als Tragödie entpuppt, deren Ebenen und Auswege Kalitzke sowie die Librettistin Julia Hochstenbach und Regisseur Christoph Werner für ein Figurentheater aufbereitet haben.

Bregenzer Festspiele 2022
Die Bregenzer Festspiele werden heuer offiziell am 20. Juli eröffnet und dauern bis 21. August. Schon zuvor, am 8. Juli, findet die Premiere von „Die Italienerin in Algier“ statt.
www.bregenzerfestspiele.com

Text. Christa Dietrich

Bilder. Elmar Witt, Arno Declair