Das ästhetische Erlebnis oder auch der Humor kommt bei aller Härte bei den Sprechtheaterproduktionen der Festspiele nicht zu kurz. Heuer sind sie samt einer Uraufführung besonders vielfältig und bringen dennoch zentrale Themen auf den Punkt.

Etwaige Traditionen hatten die künstlerischen Leiter der Bregenzer Festspiele seit ihrer Gründung im Jahr 1946 wohl weniger belastet als die Durchsetzung aller Erfordernisse für jenes große Kultur­unternehmen als das sich die Festspiele nach den Aufbaujahrzehnten etabliert hatten. Nach dem Kieskahnspektakel im Gondelhafen richtete sich der Fokus logischerweise auf die Seebühne, das Sprechtheater war aber seit Anbeginn ein Bestandteil des Programms wie auch die Konzerte der Wiener Symphoniker.

Burgtheater Wien, Schillertheater und Deutsches Theater Berlin, Thalia-Theater Hamburg, Theater in der Josefstadt, Theater für Vorarlberg bzw. Landestheater – die Liste der Kooperationspartner ist lang. In den 1990er-Jahren kam es zur regelmäßigen Präsenz des Deutschen Theaters Berlin mit mehreren Inszenierungen von Thomas Langhoff. Die Verbindung zu dieser Bühne wurde von Intendantin Elisabeth Sobotka wieder aufgenommen. Im Jahr 2019, dem letzten Festspielsommer vor der coronabedingten Zwangspause, mit der großartigen Idee, die Opernproduktion „Don Quichotte“ von Jules Massenet mit dem Schauspiel „Don Quijote“ von Jakob Nolte zu ergänzen. Die Auseinandersetzung mit dem Roman von Miguel de Cervantes, diesem Werk der Weltliteratur, prägte somit einen Festspielsommer. Während sich die französische Opernregisseurin Mariame Clément dabei höchst ersprießlich mit männlichen Rollenbildern beschäftigte, stellte Jan Bosse in der Schauspielversion die Frage, was denn ein humanes Handeln wäre.

Inhaltlich verbunden
Die inhaltliche Anbindung der diesjährigen Schauspielproduktion „Michael Kohlhaas“ von Heinrich von Kleist an die große Opernproduktion „Nero“ von Arrigo Boito im Bregenzer Festspielhaus ist zwar nicht mehr so augenscheinlich, gegeben ist sie dennoch. Während Regisseur Olivier Tambosi die Besessenheit des zum Verbrecher gewordenen römischen Kaisers ins Auge fasst, dessen persönliche Strukturiertheit, wie er meint, weit über jene Facetten hinausreicht, die wir mit der berühmt gewordenen Darstellung durch Peter Ustinov im Kopf haben, werden wir bei „Michael Kohlhaas“ direkt mit Fragen zu Schuld, Gerechtigkeit und Gewalt konfrontiert. In seiner Novelle erzählt Heinrich von Kleist von einem Rosshändler und einfachen Bürger, der von Adeligen betrogen wird und in der Zeit der Ungleichheit zu gewaltsamen Mitteln greift, um Gerechtigkeit herzustellen. Andreas Kriegenburg inszeniert diese Adaptierung der Novelle für die Bühne, Max Simonischek übernimmt die Rolle der Titelfigur. Wie es schon bei „Don Quijote“, diesem wunderbaren Zusammenspiel von Ulrich Matthes und Wolfram Koch, der Fall war, ist Bregenz Premierenort einer Produktion, die später nach Berlin und auch nach Luxemburg kommt.

Neue und alte Partner
Nach einer sehr langen Pause, nämlich nach rund 15 Jahren, ist auch das Vorarlberger Landestheater wieder ein Partner der Festspiele. Seit der Einstellung der Bespielung des Martinsplatzes in der Oberstadt durch das regionale Ensemble kommt es erst heuer zu einer weiteren Zusammenarbeit. Silvia Costa, auch als Mitarbeiterin von Romeo Castellucci bei der „Salome“-Inszenierung der Salzburger Festspiele bekannt geworden, wirft im Rahmen einer Reise, die das Publikum gemeinsam mit Musikern, Tänzern und Schauspielern unter dem Titel „Ihr seid bereits eingeschifft“ unternimmt, verschiedene philosophische Fragen auf. Spielorte sind Räume im Festspielhaus wie im Vorarlberg Museum oder im Kornmarkttheater.

Ursprünglich im Kontext von Puccinis „Madama Butterfly“, der in der Zeit des Kolonialismus spielenden Oper verankert, die nach Verdis „Rigoletto“ auf die Seebühne kommt, gliedert sich auch eine weitere Uraufführung in ein Programm, das zum größten Teil wegen der Pandemie in den heurigen Sommer verschoben werden musste. Gemeinsam mit jenen österreichischen Mittelbühnen, mit denen das Bregenzer Theater Kosmos eine Allianz bildet, wurde ein Dramenwettbewerb ausgeschrieben, aus dem Bernhard Studlar mit „Lohn der Nacht“ als Sieger hervorging. Das Motto lautete „Arroganz des Kapitals“. Der Wiener Dramatiker führt in einer Nacht unterschiedliche Personen zusammen, darunter im Übrigen auch eine Operndiva, deren Wege bzw. Lebensentwürfe sich danach eventuell ändern. Der brisante, von einigem Humor durchzogene Text wird von der deutschen Regisseurin Jana Vetten inszeniert und kommt nach der Uraufführung in Bregenz an verschiedene Bühnen in Österreich. Christa Dietrich

Fotos: Klaus Hartinger, Roland Paulitsch, Anja Koehler/andereart.de