Der neue Chef der Wiener Symphoniker stellt sich in Bregenz vor und erinnert an interessante Produk­tionen in der Festspielgeschichte, eine neue Oper liefert nicht nur eine Begegnung mit einem österreichischen Komponisten, sondern auch mit einem Schauspieler, der sich erstmals ans Musiktheater wagt.

„Philippe Jordan sagte mir, er wünscht sich, einmal Wagner zu spielen. Ich sagte ihm, dass er das gerne haben kann.“ Wenn sich zwei Musikexperten so rasch einig sind wie der Chefdirigent der Wiener Symphoniker und Festspielintendantin Elisabeth Sobotka, dann kann nur etwas Gutes daraus werden. So wie im letzten Sommer, als die konzertante Aufführung des ersten Aufzugs aus Wagners Oper „Die Walküre“ in Bregenz zehn­minütigen Jubel hervorrief.

Martinu und Dvorak. Vielleicht liegt es an der guten Beziehung der Festspiele zu den Wiener Symphonikern, die im Übrigen so alt ist wie das 1946 gestartete Festival selbst, dass Andrés Orozco-Estrada für das diesjährige Programm schon engagiert war, als fixiert wurde, dass der Wahlwiener und gebürtige Kolumbianer Nachfolger von Jordan wird, der als Musikdirektor an die Wiener Staatsoper wechselt. Werke von Antonin Dvorak und Bohuslav Martinu stehen auf seinem Programm, mit dem er die Symphoniker-Konzerte heuer eröffnet. Beide Komponisten verbrachten einige Jahre in den USA. Dvorak (1841–1904), der mehrere Länder, darunter auch England, bereiste, nahm Ende des 19. Jahrhunderts eine Stelle als Konservatoriumsdirektor in New York an. Martinu (1890–1959), dessen Werke von den Nationalsozialisten verboten wurden, flüchtete nach Paris und schließlich in die Vereinigten Staaten und verbrachte die letzten Lebensjahre in der Schweiz.

Orozco-Estrada zeigt in diesem Konzert auf, inwieweit die beiden Komponisten äußere Einflüsse bzw. die intensive Auseinandersetzung mit der Musik in anderen Ländern, in ihre Werke einfließen ließen. Bei Dvoraks Symphonie Nr 9 mit dem Titel „Aus der neuen Welt“ liegt das ohnehin auf der Hand, Martinus Doppelkonzert für zwei Streichorchester ist für einen Teil des Festspielpublikums vielleicht auch deshalb besonders interessant, weil es die Bregenzer Produktionen seiner Opern „Die griechische Passion“, deren Erstfassung unter Alfred Wopmann hier uraufgeführt wurde, und „Julietta“ noch gut in Erinnerung hat.

Auftragswerke. Weiters auf dem Symphoniker-Programm stehen heuer Werke von Richard Strauss, Maurice Ravel, Ludwig van Beethoven und Thomas
Larcher. Letztgenannter ist in Bregenz kein Unbekannter. Die Arbeiten des Tiroler Komponisten (geb. 1963) waren hier schon zu hören, als man die ergänzende Programmschiene neben den großen Produktionen auf dem See und im Festspielhaus mit „Kunst aus der Zeit“ betitelte. Nachdem Intendant David Pountney en suite Opernurauffüh­rungen auf der großen Bühne realisierte, hatte sich der Begriff erübrigt, den Elisabeth Sobotka nach ihrem Antritt in Bregenz erst gar nicht mehr bemühte.
Sie führte das Opernatelier ein, in dem das Publikum die Entstehung einer Oper über die Jahre verfolgen kann. Nach der Uraufführung von „To the Lighthouse“ von Zesses Seglias arbeitet jetzt mit Alexander Moosbrugger ein Vorarlberger an einem Werk, das Festspielbeobachter nun beschäftigt und das den einen oder anderen zum 1499 erschienenen Buch „Hypnerotomachia Poliphili“ von Francesco Colonna greifen lässt, das die Basis für das in zwei, drei Jahren fertiggestellte Musiktheaterstück bildet. Thomas Larcher, der zwischenzeitlich einen Auftrag erhielt, hat nicht gar so weit zurückgeblickt. „Das Jagdgewehr“ von Yasushi Inoue erschien vor rund 50 Jahren und erzählt von Einsamkeit, Täuschungen, einem vertuschten Verhältnis und der Suche nach Liebe. Die junge österreichische Autorin Friederike Gösweiner, der mit dem Roman „Traurige Freiheit“ eine vielgelobte Schil­derung einer Existenzkrise gelungen ist, hat das Libretto verfasst. Den bekannten Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor Karl Markovics hat der Stoff derart be­eindruckt, dass er heuer in Bregenz nach großen Erfolgen als Filmregisseur mit „Atmen“ und „Superwelt“ seine erste Operninszenierung realisiert. Markovics: „Eine große Herausforderung, auf die ich mich sehr freue.“ Christa Dietrich

 

 

Bild. Dietmar Mathis | Mathis Fotografie