Mit „To the Lighthouse“ nach einem Roman von Virginia Woolf realisieren die Bregenzer Festspiele nicht nur eines der spannendsten Projekte der letzten Jahre, der Komponist Zesses Seglias fordert die Mitwirkenden der Uraufführung, ruft aber auch schon im Vorfeld Begeisterung hervor.

Die intensive Phase der Probenarbeit geradezu elektrisiert zu erwarten, das ist unter Interpreten neuer Werke nicht grundsätzlich der Fall. Dem Vorarlberger Posaunisten Volker Bereuter geht es aber so, seit er mit Ausschnitten der Partitur von Zesses Seglias konfrontiert war. Der Komponist fordert nicht nur verschiedene Spieltechniken, er braucht auch Instrumentalisten, die bei Stimme sind. Sprich: Bereuter wird an manchen Stellen auch mitsingen, die Posaune ist zudem nicht nur ein Orchesterinstrument, für das einige solistische Einsätze vorgesehen sind, sie übernimmt gelegentlich auch den Part einer Figur in „To the Lighthouse“.

Eine Bootsfahrt. Schon bei der Vorstellung ihres Programms für die Festspiele hielt die seit 2015 in Bregenz tätige Intendantin Elisabeth Sobotka fest, dass sie ein Opernatelier installieren will. Nach Einblicken in die Schaffensphase steht nun der 16. August als Uraufführungstermin des ersten in diesem Rahmen realisierten Werks fest. Mit Virginia Woolf (1882–1941) liefert eine der bedeutendsten Vertreterinnen der klassischen Moderne die Vorlage. Ihr 1927 erschienener Roman „To the Lighthouse“ („Die Fahrt zum Leuchtturm“), der wenige Jahre später ins Deutsche übersetzt wurde, behandelt Beziehungsgeflechte in einer Familie aus der Perspektive einer Beobachterin oder der Wahrnehmung der einzelnen Figuren. Die titelgebende Bootsfahrt, die schon zu Beginn als unerfüllter Wunsch eines Kindes vorkommt, findet erst im dritten Kapitel und gut zehn Jahre später statt.

Mittlerweile ist der Erste Weltkrieg zu Ende, den die Ausstatter, der dänische Künstler Jakob Kolding und die norwegische Kostümbildnerin Vibeke Andersen, genauso nicht unbeachtet lassen wie die Bohemiens der Bloomsbury Group, also Schreibende und Gelehrte, die allen ein Begriff sind, die sich mit Virginia Woolfs Leben und Werk beschäftigen. Das Libretto schuf mit Ernst M. Binder (1953–2017) jener bekannte Schriftsteller und Regisseur, dessen Arbeiten genauso nach Graz führen wie jene des Komponisten Zesses Seglias (geb. 1984 in Edessa, Griechenland), der dort unter anderem bei Beat Furrer studierte und von dem in der steirischen Landeshauptstadt vor wenigen Jahren die Kammeroper „Hysteria“ uraufgeführt wurde.

Starkes Team. Sobotka hat für ihr erstes Opernatelier-Projekt ein gut aufeinander eingestimmtes Team nach Bregenz geholt. Nach dem plötzlichen Tod von Ernst M. Binder im Jänner dieses Jahres wird Olivier Tambosi die Regiearbeit übernehmen. Der Text war komplett fertiggestellt. Die Musiker des Symphonieorchesters Vorarlberg, die von der Französin Claire Levacher dirigiert werden, bezeichnen die Möglichkeit am Entstehen des Werks Anteil zu haben, als besonderen Auftrag. Noch stärker kommt dieser Aspekt bei den Sängern zum Tragen. Mit Christie Finn und Sophia Burgos hat Seglias bereits gearbeitet. Ihre stimmlichen Möglichkeiten sind zusätzlich inspirierend gewesen. Eine starke Zusammenarbeit eben.

Zesses Seglias Kompositionsweise wird von Fachleuten, darunter auch die Vorarlbergerin Silvia Thurner, als „spektral“ bezeichnet. Dazu der Komponist, der bei „To the Lighthouse“ auch sehr stark auf den Klang der Sprache oder einzelner Laute setzt: „Einen Klangkörper zu bauen, kann man auch als eine andere Form der Dramaturgie sehen, was bedeutet, dass es in gewissem Sinne nicht ganz einfach war, aber eher unterhaltsam, um eine zweite Stufe der Dramatisierung meiner Klänge zu finden.“

Bilder. Bregenzer Festspiele | Anja Köhler, andereart.de

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